PINK WALK
EXPERTEN TALK
mit Ines Pfeffer
Ines Pfeffer forscht und lehrt an der Schnittstelle von Sportwissenschaft, Sportpsychologie und Gesundheitswissenschaft. Insbesondere die Erforschung motivationaler und volitionaler Faktoren der regelmäßigen Sportteilnahme sowie der Determinanten erfolgreicher Verhaltensänderung gehören zu ihren Forschungsinteressen. Aktuell hinterfragt sie vor dem Hintergrund aktueller dualer Prozesstheorien die Rolle automatischer und reflektiver Prozesse bei der Aufnahme und Aufrechterhaltung regelmäßiger körperlicher Aktivität. Darüber hinaus beschäftigt sie sich mit Interventionsmethoden zur Förderung gesunder Gewohnheiten im Alltag und erforscht Effekte regelmäßiger körperlicher Aktivität auf psychische Gesundheitsparameter.

Ines Pfeffer - Professorin für Medizinpädagogik (Gesundheitswissenschaften) an der MSH Medical School Hamburg
Teil 3: Zwischen Anspruch und Achtsamkeit – wie Bewegung uns stärkt, ohne zu überfordern
Ein Gespräch über Körperideale, Selbstfürsorge – und den Mut, Bewegung neu zu denken.
Bewegung kann unglaublich gut tun – doch was passiert, wenn aus Motivation Druck wird? Wenn der Wunsch, gesund zu leben, in Selbstoptimierung kippt? Oder wenn soziale Medien unrealistische Maßstäbe setzen, an denen man nur scheitern kann?
Im dritten Teil unseres Interviews spricht Dr. Ines Pfeffer über die Schattenseiten eines überhöhten Bewegungsanspruchs. Sie erklärt, warum Sport zur Belastung werden kann, welche Risiken in Zwang, Perfektionismus und Vergleich stecken – und wie wir ein gesundes Maß finden, das Körper, Seele und Selbstwert gleichermaßen stärkt.
Wo sehen Sie auch Risiken? Zum Beispiel, wenn Bewegung aus dem Gleichgewicht gerät, der Druck zu groß wird oder Bewegung mit Zwang oder Angst behaftet ist?
Ines Pfeffer: „Bewegung kann eine Ressource sein, die uns langfristig gesünder macht. Wenn Sport und Bewegung lediglich als zusätzlicher Termin und damit als Stressor wahrgenommen wird, dann kann das kontraproduktiv sein und zusätzlichen Druck auslösen.
Einige Menschen nutzen Sport und Bewegung auch als Regulations- oder Kompensationsmechanismus, um negative Emotionen zu regulieren oder ein geringes Selbstwertgefühl zu kompensieren. Hier besteht die Gefahr in eine Sucht zu rutschen, die negative Folgen für die Gesundheit haben kann. Bewegung wird nicht mehr aus Freude an der Aktivität ausgeführt, sondern eher aus Angst, Schuldgefühl oder einem Zwang heraus. Dies kann dann zu einem exzessiven Sportverhalten führen, bei dem Regenerationszeiten und Verletzungen ignoriert werden. Anderer Lebensbereiche werden vernachlässigt, was bis zur totalen Erschöpfung führen kann.
Diese Effekte sind nicht erstrebenswert und haben auch nichts mit Bewegung als Gesundheitsverhalten zu tun. Regelmäßige Bewegung sollte Teil eines ganzheitlichen Lebensstils sein und maßvoll eingesetzt das eigene Wohlbefinden stärken.“
Auf Social Media werden häufig idealisierte Körperbilder und Fitnessroutinen gezeigt. Manche setzen sich dadurch selbst unter Druck, scheitern an zu hohen Erwartungen und geben frustriert auf. Wie kann man besser mit diesen Bildern umgehen – und eigene, realistische Ziele finden, die wirklich guttun?
Was wir beim Betrachten solcher Bilder und Profile nicht vergessen dürfen ist, dass jeder Körper einzigartig ist und kaum jemand die dort gezeigten Ideale erreichen kann. Statt sich darüber zu ärgern oder den eigenen Selbstwert herabzusetzen, sollte ich mich fragen, welche realistischen Ziele ich mir im Rahmen meiner individuellen Möglichkeiten und mit meinen einzigartigen Voraussetzungen setzen kann. Dabei sollte es eher um das eigene Wohlbefinden gehen und darum, was mir selbst guttut.
Es ist wichtig zu lernen den eigenen Körper mit seinen Schwächen zu akzeptieren und seine Stärken kennenzulernen (z.B. Beweglichkeit, Kraft, Koordination). Hierbei kann es helfen, sich Menschen als Vorbild zu nehme, die ein positives Verhältnis zu ihrem individuellen (unperfekten) Körper haben. Die Body Positivity-Bewegung, die ebenfalls in den Social Media bekannt geworden ist, propagiert die Akzeptanz und Wertschätzung individueller und einzigartiger Körperformen, die Ablehnung unrealistischer und unerreichbarer Schönheitsideale, ein Selbstwertgefühl unabhängig von äußeren Standards und das eigene Wohlbefinden in den Mittelpunkt zu stellen. Diese Bewegung kann als Inspiration genutzt werden, um sich von gesellschaftlichen Idealen und Normen zu lösen, Individualität zu leben und nachsichtiger mit sich selbst zu werden."
Neugierig auf mehr?
Bewegung beginnt im Kopf – und verändert alles
Hast du schon das Interview mit Sportpsychologin Nadine Volkmer gelesen? Sie zeigt, wie kleine Schritte Großes bewirken können – für Körper, Kopf und Selbstvertrauen. Persönlich, motivierend und nahbar.
